Regelmäßig werde ich auf den unterschiedlichsten Wegen immer wieder ähnlich befragt zu Hintergründen des BrandMeister. Da es mühsam ist, immer wieder das Gleiche zu erzählen, haben wir uns entschlossen, in loser Folge ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern, was so hinter den Kulissen läuft, wie alles begann, wie die Technik arbeitet.
Hier ein wenig zur Funktionsweise, der Infrastruktur, und warum das alles so gut funktioniert
An der Stelle mag ich mit einer kleinen Anekdote einsteigen. Unlängst sitze ich im morgendlichen ICE aus Franken ins Ruhrgebiet, und kurz vor Frankfurt wird die Kiste ziemlich voll mit Pendlern, die jeden Morgen in die Stadt der Banken und des Internets düsen. Da läßt es sich auch nicht vermeiden, daß mein Nebensitzer den einen oder anderen Blick auf meinen Bildschirm erhascht, während ich ein wenig im BrandMeister-Dashboard hantiere. Irgendwann ist die Neugier größer als die Zurückhaltung, und er spricht mich an, ich möge die Neugierde verzeihen, irgendwie sehe das interessant aus, was mache ich denn da eigentlich. Also erkläre ich ihm kurz, was ich gerade beackere. Von Amateurfunk hat er sogar schon mal gehört („da gibt es bei uns doch so eine Betriebssportgruppe“), mit Netzen kennt er sich als Mitarbeiter eines großen deutschen Telekommunikationskonzerns auch aus, und er kann es nicht fassen, wie ich hier Zugriff auf den Systemstatus von zu der Zeit gut 2000 Netzzugangspunkten (Repeater und Hotspots) habe, was wir an Graphiken zur aktuellen und zurückliegenden Nutzung des Netzes sehen können, wie sauber und professionell das alles administrierbar ist, und wie durch die last heard-Liste die Verbindungen hüpfen. Auch unsere automatisch generierte Netzkarte und die verspielte Netzstruktur-Übersicht vermögen zu gefallen. Vollends begeistert ist er, als er erfährt, daß drei, vier Mann die gesamte Software-Infrastruktur in ihrer Freizeit programmieren, warten und betreuen. Er versichert mir glaubwürdig, daß manch kommerzielles und riesengroße Projekt nicht ansatzweise an das herankommt, was er hier gerade auf meinem tablet-PC als das Freizeit-Werk von einem mageren Häufchen Hobbyisten sieht.
Und da sind wir schon an dem Punkt, zu dem ich öfters befragt werde – wie kann das sein? Also dröseln wir das doch einfach mal ein wenig auf.
Derzeit wird das Kernnetz (ohne Zusatzdienste wie hoseline) von einer Handvoll Leute programmiert und betreut, wobei das mit der Handvoll durchaus wörtlich zu sehen ist – mehr sind es wirklich nicht.
Daher wurde von Anfang an darauf geachtet, möglichst effiziente Softwarestrukturen zu schaffen. Die hat übrigens so ganz nebenbei zur Folge, daß ein Master-Server in der Lage ist, allemal eine ordentlich dreistellige Anzahl an Repeatern zu bedienen, ohne dabei ins Schwitzen zu kommen. Die Länderserver sind also an sich in dieser Anzahl momentan gar nicht nötig, aber dennoch sinnvoll aus Gründen der Redundanz und Dezentralität sowie der netzseitigen Nähe zu den Relais.
Als Master-Server ist ein normaler Linux-Mietserver im Rechenzentrum des geringsten Mißtrauens geignet, wie er auch für aufwendigere Webseiten und ähnliche Dinge üblich ist. Also ganz normale Standardprodukte, für relativ kleines Geld zu mieten, und somit auch binnen kürzester Zeit zu installieren bzw. zu einem anderen Anbieter zu migrieren. Teils werden die laufenden Kosten einfach privat von den Betreuern des jeweiligen Servers bestritten, teils auch aus Spenden, oder über eine Interessengemeinschaft. Jedenfalls sind die Kosten so gering haltbar, daß mit etwas gutem Willen der Betrag schon aufzubringen ist.
All die Länder-Master-Server sind gleichberechtigt und per Internet als mesh-network in direktem IP/UDP-Kontakt. Sie tauschen permanent ihre Datenbanken aus und sorgen so dafür, daß jedes Gespräch immer auf dem kürzesten Weg durchverbunden wird. Dabei ist dieses Datenbanksystem gnadenlos auf Effizienz und Geschwindigkeit getrimmt, oft benötigte Daten werden sogar permanent im RAM vorgehalten, um die Reaktionszeiten so kurz als möglich zu halten.
Auch ist die Installation aller Master-Server identisch, es ist einfach und schnell möglich, einen neuen Master zu errichten, um ein neues BM-Land on air zu bekommen. Für die Betreuung findet sich in der Regl ein örtliches Länderteam, und auch das Kernteam hat Zugriff. So ist sichergestellt, daß kein Server herrenlos wird und immer jemand greifbar ist, das gute Stück aktuell zu halten und zu warten. Ferner gibt es keine künstlichen Beschränkungen, Relais können sich auch an Server eines anderen Landes anhängen, sei es, weil es im eigenen Lande noch keinen Server gibt, oder auch einfach aus Gründen besonderer Verbundenheit. Dabei ist es allerdings ratsam, für sein Relais einen Server zu wählen, zu dem die Internetverbindung gut, stabil und von geringer Latenz ist.
Damit kann nun schon weltumspannend gefunkt werden. Um jedoch auch ein umfangreiches und zeitgemßes user interface bereitstellen zu könnne, existiert noch ein recht leistungsfähiger Webserver, auf welchem das Dashboard läuft. Darüber läuft die Benutzer-Selbstverwaltung, ebenso werden die Einstellungen der Relais, der Master-Server und der Benutzerverwaltung darüber gesteuert. Dazu ist auch ein vielschichtiges System an Benutzerrechten im Einsatz, welches die Rollen der Nutzer klar zuweist. Dieser Server ist ein zentrales Element mit Durchgriff auf die Datenbanken des Master-Server, aber aufgrund einiger unschöner DDoS-Attacken wird auch dieses System derzeit dezentraler und redundanter gestaltet. Für das Funktionieren des Funkbetriebes ist das Dashboard nicht relevant, auch bei einem Ausfall liefe der Funkbetrieb ungestört weiter, nur die Konfigurationsmöglichkeiten wären solange eingeschränkt.
Diese effiziente Struktur sorgt dafür, daß wenige Leute mit überschaubarem Aufwand ein stabil und qualitativ hochwertig funktionierendes weltweites Digitalfunknetz am Laufen halten können. Natürlich ist dies auch nur möglich, weil in den jeweiligen BM-affinen Ländern Strukturen entstehen, die dem Kernteam viel an Support und Verwaltungsarbeit abnehmen. Für das BM262-Team kann ich sagen, daß wir versuchen, den kompletten Support für Nutzer und Relaisbetreiber in unserem Land selbst zu erledigen, was uns auch ganz ordentlich gelingt. Ferner unterstützen wir das Kernteam in der Benutzerverwaltung, und bündeln einige Aktivitäten zur Programmierung neuer Funktionen durch Externe. Letztlich helfen wir derzeit Österreich ein wenig beim Etablieren eigener nationaler Strukturen für den BrandMeister.
Übrigens ist auch die Öffentlichkeitsarbeit so dezentral; die Länder-Teams bereisen Messen, Veranstaltungen und Amateurfunktagungen, teilweise je nach Verfügbarkeit und Lust und Laune unterstützt vom Kernteam, sie betreiben teils eigene Websites und Dokumentensammlungen, bedienen social media-Kanäle, stehen bereit für Fragen und Hilfestellungen.
So wird der BM also von vier Säulen sehr stark getragen: Von tollen und begeisterten Nutzern, von den SysOps als Erbauer der Funkinfrastruktur, von den jeweiligen Länderteams, und vom Kernteam als zentraler Ansprechpartner und Ankerpunkt. Dies zusammen mit hochwertiger und standardisierter Software und Hardware, und schon sind die Zutaten für ein erstklassiges Digitalfunknetz beisammen. Dazu noch als besondere Würze eine Prise ham spirit, gepaart mit einem möglichst offenen und transparenten Umgang, und es kann kaum mehr was schiefgehen.
Es wirkt dem Uneingeweihten unrealistisch, doch ist wirklich so, daß einige wenige Leute es mit Einsatz ihrer privaten Mittel rein in ihrer Freizeit bewerkstelligen, das größte DMR-Amateurfunknetz der Welt recht geschmeidig am Laufen zu halten – physisch errichten müssen es ja die Relais-SysOp, und mit Leben füllen es die Nutzer.
Viele Grüße
Ralph, dk5ras.