BrandMeister und Boxchip – eine Erfolgsgeschichte?
Seit geraumer Zeit überschwemmen bekanntlich chinesische Hersteller den Markt mit „Funkgeräten“, welche über Mobilfunk und WLAN die IP-Verbindung herstellen und so Funkbetrieb quasi simulieren. Teils nutzen sie eigene Systeme, teils bekannte kommerzielle Dienste wie z.B. Zello.
Torben (DH6MBT) hat Anfang 2018 begonnen, diverse solche Hersteller anzuschreiben, ob sie nicht auch etwas haben oder bauen können, was per IP zum BrandMeister verbinden würde.
Reagiert auf diese Anfragen hat Boxchip und verwies auf das S900A, welches zusätzlich auch FM und DMR unterstützt, also ein echtes Funkgerät mit PTT und integriertem Smartphone. Was läge also näher, mit so einem System auch den Zugang zum BrandMeister zu ermöglichen? Dazu muß man wissen, daß dies nur funktioniert, wenn ein Sprach-Codec vorhanden ist. Da aber dieses Gerät DMR über klassische HF unterstützt, muß es auch ein AMBE-Codec enthalten.
Also hat Torben (DH6MBT) begonnen, diese Firma zu beraten und zu überreden, unseren BM zu implementieren. Doch niemand konnte ahnen, wie schwierig und zäh alleine die Kommunikation werden würde. Einzig das Marketing spricht Englisch, so mußten die Kontakte in die Technik-Abteilung immer über diesen Umweg ablaufen. Alleine bis die das verstanden, daß die DMR-Daten bereits sprachcodiert am Server ankommen müssen…
Etwas Fahrt kam in die Angelegenheit, als sie bemerkten, wie groß unsere Benutzerbasis ist, und daß auch bei uns die Bereitschaft vorhanden ist, eine passende Schnittstelle zu schaffen. So hat also Artem (DL5ABM/R3ABM) in der Rekordzeit von wenigen Tagen eine Schnittstelle programmiert, das Open-DMR-Terminal-Protokoll, über welches RoIP-Geräte angebunden werden können. Auch unser Besuch des Boxchip-Messeauftritts auf der PMRExpo 2018 in Köln war dabei hilfreich, und so kamen Anfang 2019 die ersten zaghaften Testgespräche per RoIP zustande. Es funktionierte nicht wirklich stabil, und über einen längeren Zeitraum gab es kaum Fortschritte, wohl auch dem geschuldet, daß Boxchip dem Gerät neue Hardware und Firmware verpaßte. Dieses Modell nannten sie S900A Plus, und zur HAM RADIO 2019 war immerhin ein leidlich funktionierendes Demogerät bei BM262 vorhanden, welches aber nicht mehr als eine Demonstration und ein Ausblick war, die Software hatte noch an allen Ecken und Enden ihre Probleme.
Zur PMRExpo 2019 in Köln haben wir uns erneut mit Boxchip zusammengesetzt, konnten etliche Themen nochmals erläutern und konkretisieren, und immer noch wirkte der Hersteller äußerst interessiert daran, das Projekt weiterzuführen.
Mittlerweile haben wir das Jahr 2020, die Geräte sind bereits im Verkauf, und die BM-Software ist inzwischen durchaus benutzbar, wenn auch sicher nicht perfekt. Man sieht, da steckt Potential drin, die Integration in den BM ist prima, man bemerkt es nicht, ob das QSO per DMR-HF oder per Mobilfunk-HF kommt. Ferner ist nun Android 9 in einer offiziellen Version mit Google-Diensten für die Geräte verfügbar. Die Installation dieses Updates war etwas krude zu bewerkstelligen, aber dies ist der Fluch des frühen Vogels, natürlich werden aktuell die Geräte bereits so ausgeliefert.
Sehr schön demonstriert die ganze Aktion, daß man auch als Hobbyistengruppe durchaus seinen Teil beitragen kann, damit ein markttaugliches Produkt entsteht. Nun muß erst mal organisiert sein, wie die ihre Geräte bei uns vermarkten, wie der Support ablaufen wird – natürlich kommt auf uns beim BM da auch ein wenig Supportaufwand hinzu, aber letztlich sollte das kein Drama sein.
Besonders spannend ist für uns, wie schnell, effektiv und professionell bei uns die Schnittstelle geschaffen wurde, und wie langsam und zäh die Nutzung anläuft. Und es ist faszinierend, kommerzielle und behördliche Anbieter sind erst ganz zaghaft dabei, ihre Netze mit LTE und ähnlichen kommerziellen Mobilfunktechniken zu erweitern und aufzuwerten – und wir haben das bereits in den Wirkbetrieb überführt.
Übrigens hat parallel dazu Dirk (DM7DS) im Kontakt mit Boxchip dafür gesorgt, daß das Gerät die Relais- und Teilnehmerdaten abrufen kann, um z.B. der ID in der Anzeige gleich das Rufzeichen zuzuzordnen und auch die Relais in einem Umkreis um die eigene Position gleich zum direkt Aufrufen anzubieten. Also keine Programmiererei der lokalen Relais vor einer Reise, sondern einfach alles das Gerät selbst erledigen lassen 🙂
Persönlich besitze ich erst seit März 2020 ein solches Gerät, und mein Eindruck ist, daß es keinesfalls ein modernes Smartphone ersetzen kann, ich sehe das eher als ein Funkgerät mit Touchscreen-Bedienung, welches halt auch normale einfache Android-Anwendungen erlaubt. Auch ist die Verarbeitung sicher nicht das, was man von einem kommerziellen Betriebsfunkgerät so kennt, aber dennoch ordentlich und solide. Der Kontakt nach China ist mittlerweile halbwegs effizient und schnell, und durch uns entdeckte Fehler und Probleme werden akzeptiert, nachvollzogen und behoben.
Die Anmeldung an den BM ist dabei sehr einfach. Auf Master-Seite sind die notwendigen Vorbereitungen minimal und für DL längst erledigt. Der Nutzer muß unbedingt sein Hotspot-Paßwort setzen und auch im Gerät eintragen, das Standard-Paßwort funktioniert für die Anwendung bewußt nicht, um wahlfreien und unkontrollierten Zugriff durch Jedermann zu unterbinden. Die oft gestellte Frage, warum man die Anwendung nicht einfach auf seinem normalen Smartphone nutzen kann, ist einfach zu beantworten – dieses hat kein AMBE-Codec.
Nun höre ich schon wieder die Kritiker, was ist da dran noch Amateurfunk, können wir doch gleich telephonieren. Auch hier sei gesagt, letztlich haben wir Funkamateure uns da schlichtweg nur eine weitere Möglichkeit geschaffen, auf unser vielseitiges Digitalfunksystem zuzugreifen. Natürlich in Zusammenarbeit mit kommerziell tätigen Unternehmen, anders war das kaum möglich. Allerdings haben wir uns nirgends abhängig gemacht, wir bestimmen das Protokoll und den Zugang, wir haben niemanden bezahlt und wurden von niemandem bezahlt, die Kontrolle liegt komplett bei uns Funkamateuren.
Auch wird die Frage aufkommen, warum sei das nötig, man möge lieber mehr Relais und Hotspots installieren. Da sei gesagt, es gibt Umgebungen, in denen dies nicht oder nur schwer möglich ist. Ich persönlich finde z.B. die Nutzung in der Bahn sehr praktisch. Viele Züge dämpfen 70cm um gerne 20-30dB, durch die wegen der Klimatisierung metallbedampften Fensterscheiben. Für Mobilfunk jedoch sind Repeater vorhanden, oder es gibt auch ein WLAN für die Fahrgäste. Unter diesen Bedingungen sind die einzigen „Funkgeräte“, die sinnvoll funktioneren, eben solche RoIP-Anwendungen. Mein erster Test in einem ICE war extrem vielversprechend, das hat halt einfach über hunderte km quer durch Deutschland funktioniert, sogar mit einer an sich eher nicht so toll versorgenden O2-SIM-Karte. Offenbar reicht bereits eine EDGE-Verbindung aus, um „funken“ zu können.
Wenn noch Fragen zu der Thematik aufkommen, neben unseren üblichen Kommunikationswegen haben wir auch eine Telegram-Gruppe eingerichtet. Diese ist unter https://t.me/boxchip zu finden.
So freuen wir uns nun, wenn auch diese Art zu funken im BM um sich greifen wird und sich Nutzer finden, die Freude an dieser Möglichkeit finden. Durch den Wegfall der HAM RADIO 2020 sind natürlich unsere Planungen, dort Geräte zum Messepreis anbieten zu lassen, gescheitert, aber bezüglich der Preise ist zumindest das letzte Wort noch nicht gesprochen. Möglicherweise wird genau zum HAM RADIO-Wochenende ein entsprechender Sonderpreis eingerichtet. Dies liegt nicht in unserer Macht, wir können da nix versprechen, aber es besteht Hoffnung. Dazu bitte den entsprechenden Gruppen bei Facebook und Telegram folgen, wir von BM262 haben nichts mit dem Marketing zu tun und unterstützen rein den technischen Teil.
Viele Grüße – Ralph, dk5ras, fürs BM262.de-Team.